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Aus dem Eindimensionalen sind das Lagrangesche und Schlömilchsche Restglied bekannt. Lagrange, Joseph Louis (1736--1813), Schlömilch, Otto (1823--1901). $$ \eqalignno{ f(x) &= \sum_{k=0}^n {f^{(k)}(a)\over k!}(x-a)^k + {1\over n!}\int_a^x (x-t)^n f^{(n+1)}(t) dt\cr &= \sum_{k=0}^n {f^{(k)}(a)\over k!}(x-a)^k + {f^{(n+1)}(\xi)\over(n+1)!}(x-a)^{n+1} \qquad\hbox{(Lagrange)}\cr &= \sum_{k=0}^n {f^{(k)}(a)\over k!}(x-a)^k + o(\left|x-a\right|^n)\cr &= \sum_{k=0}^n {f^{(k)}(a)\over k!}(x-a)^k + {f^{(n+1)}(\xi)\over p\cdot n!}(x-\xi)^{n+1-p} (x-a)^p. \qquad\hbox{(Schlömilch)}\cr } $$ Diese Darstellungen für $f$ lassen sich für vektorwertige Funktionen entsprechend verallgemeinern. Wie im Eindimensionalen liegt auch hier wieder das Schwergewicht auf der Gewinnung von Restgliedformeln, oder mit den Worten von Mangoldt und Knopp: (Mangoldt, Hans Carl Friedrich von (1854--1925, Knopp, Konrad Hermann Theodor (1882--1957))
Ausdrücklich sei noch einmal betont, daß der wesentliche Inhalt des Taylorschen Satzes nicht darin besteht, daß ein Ansatz der Form $$f(x_0+h)=f(x_0)+{f'(x_0)\over1!}h+{f''(x_0)\over2!}h^2+\cdots+ {f^{(n)}(x_0)\over n!}h^n+R_n $$ überhaupt gemacht werden kann. Das ist vielmehr unter der alleinigen Voraussetzung, daß $f^{(n)}(x_0)$ existiert, für jedes seinem Betrage nach hinreichend kleines $h$ unter allen Umständen möglich. $\ldots$ $R_n$ ist lediglich eine abkürzende Bezeichnung für die Differenz der linken Seite und der Summe dieser $(n+1)$ ersten Summanden der rechten Seite. Das Schwergewicht des Problems und damit der allein wesentliche Inhalt des Taylorschen Satzes liegt ausschließlich in den Aussagen, die über dieses Restglied gemacht werden können.
1. Defintion: (Multiindizes) Für $\alpha=(\alpha_1,\ldots,\alpha_n)\in\mathbb{N}^n$ sei die Ordnung eines Multiindex und die Multifakultät definiert zu $$ \left|\alpha\right| := \alpha_1+\cdots+\alpha_n, \qquad \alpha! := \alpha_1! \alpha_2! \cdot\ldots\cdot \alpha_n! $$ Ist $f$ eine $\left|\alpha\right|$-mal stetig differenzierbare Funktion, so sei die ^{Multiableitung} gesetzt zu $$ D^\alpha f := D_1^{\alpha_1} D_2^{\alpha_2} \ldots D_n^{\alpha_n} f = {\partial^{\left|\alpha\right|} f\over \partial x_1^{\alpha_1} \cdots \partial x_n^{\alpha_n} }, $$ insbesondere $D_i^{\alpha_i}=D_i\ldots D_i$ ($i$ mal). Die ^{Multipotenz} für einen Vektor $x$ ist $$ x^\alpha := x_1^{\alpha_1} x_2^{\alpha_2} \cdot\ldots\cdot x_n^{\alpha_n}{\mskip 5mu}. $$
Nach dem Satz von H.A. Schwarz, Schwarz, Hermann Armandus (1843--1921), ist die Reihenfolge des Differenzierens nach verschiedenen Variablen unerheblich, bei genügend glatter Funktion $f$.
2. Lemma: Es gilt $$ (x_1+x_2+\cdots+x_n)^k = \sum_{\left|\alpha\right|=k} {k!\over\alpha!} x^\alpha, \qquad\forall k\in\mathbb{N}. $$
Beweis: Durch Induktion nach $n$, wenn man die Binomische Formel voraussetzt. Man rechnet über Induktion nach $k$, wenn man dies nicht benutzen will. Für $n=1$ ist die Behauptung klar. Für den Induktionsschluß klammert man $[x_1+(x_2+\cdots+x_n)]^k$. ☐
Entsprechend gilt $$ p(x) := (h_1x_1+\cdots+h_nx_n)^k = \sum_{\left|\alpha\right|=k} {k!\over\alpha!} h^\alpha x^\alpha, $$ also $$ p(D)f = \left( \sum_{i=1}^n h_iD_i \right)^k f = \sum_{\left|\alpha\right|=k} {k!\over\alpha!} D^\alpha f{\mskip 3mu}h^\alpha. $$
Generalvoraussetzung: $f\colon U\subset\mathbb{R}^n\rightarrow\mathbb{R}$ sei $k$-mal stetig differenzierbar auf der offenen Menge $U$. Es sei $x\in U$ und $h\in\mathbb{R}^n$ derart, daß $x+th\in U$, $\forall t\in[0,1]$. Es sei $g\colon[0,1]\rightarrow\mathbb{R}$, mit $g(t):=f(x+th)$.
3. Hilfssatz: Die Funktion $g$ ist $k$-mal stetig differenzierbar und $$ g^{(k)}(t) = \sum_{\left|\alpha\right|=k} {k!\over\alpha!} D^\alpha f(x+th){\mskip 3mu}h^\alpha. $$
Beweis: Induktion nach der Ordnung des Multiindex, also nach $k$. Für $k=1$ ist nach der Kettenregel $$ g'(t) = \mathop{\rm grad} f(x+th)\cdot h = \sum_{i=1}^n D_i f(x+th){\mskip 3mu}h. $$ Induktionsschluß von $(k-1)\rightarrow k$: $$ g^{(k-1)}(t) = \sum_{\left|\alpha\right|=k-1} {(k-1)!\over\alpha!} h^\alpha{\mskip 3mu} D^\alpha f(x+th) = \underbrace{\left[\sum_{i=1}^n (h_i D_i)^{k-1} f\right]}{=:{\mskip 5mu}S} (x+th); $$ Anwenden der Kettenregel und des Lemmas liefert $$ g^{(k)}(t) = \left[\left(\sum{i=1}^n h_i D_i\right) S\right] (x+th) = \left[\left(\sum_{i=1}^n h_i D_i\right)^k f \right] (x+th) = \sum_{\left|\alpha\right|=k} {k!\over\alpha!} h^\alpha \left(D^\alpha f\right)(x+th). $$ ☐
4. Satz: Satz von Taylor, Taylor, Brook (1685--1731). Es sei $f$ jetzt sogar $(k+1)$-mal stetig differenzierbar. Dann existiert ein $\theta\in[0,1]$, so daß $$ f(x+h) = \sum_{\left|\alpha\right|\le k} {D^\alpha f(x)\over\alpha!} h^\alpha + \sum_{\left|\alpha\right|=k+1} {D^\alpha f(x+\theta h)\over\alpha!} h^\alpha. $$
Beweis: $g$ ist wie $f$ mindestens $(k+1)$-mal stetig differenzierbar. Nach der Taylorformel für eine Veränderliche existiert ein $\theta\in[0,1]$, so daß $$ g(1) = \sum_{m=0}^k {g^{(m)}(0)\over m!} + {g^{(k+1)}(\theta)\over(k+1)!}. $$ Einsetzen der im Hilfssatz ermittelten Formeln liefert unmittelbar das Ergebnis. ☐
5. Corollar: Es sei $f$ mindestens $k$-mal stetig differenzierbar und es sei $h$ hinreichend klein. Dann gilt $$ f(x+h) = \sum_{\left|\alpha\right|\le k} {D^\alpha f(x)\over\alpha!} h^\alpha + o(\left|h\right|^k), $$ dabei steht $o(\left|h\right|^k)$ als Abkürzung für eine Funktion $\varphi$ mit $\varphi(0)=0$ und $$ \lim_{\scriptstyle h\to0\atop\scriptstyle h\ne0} {\varphi(h)\over\left|h\right|^k} = 0. $$
Beweis: Nach dem vorhergehenden Satz gibt es ein von $h$ abhängiges $\theta\in[0,1]$, mit $$ f(x+h) = \sum_{\left|\alpha\right|\le k+1} {D^\alpha f(x)\over\alpha!} h^\alpha + \sum_{\left|\alpha\right|=k} {D^\alpha f(x+\theta h)\over\alpha!} h^\alpha = \sum_{\left|\alpha\right|\le k-1} {D^\alpha f(x)\over\alpha!} h^\alpha + \sum_{\left|\alpha\right|=k} r_\alpha(h){\mskip 3mu}h^\alpha, $$ wobei $$ r_\alpha(h) = {D^\alpha f(x+\theta h) - D^\alpha f(x)\over\alpha!}. $$ Wegen der vorausgesetzten Stetigkeit von $D^\alpha f$ verschwindet $r_\alpha(\cdot)$ bei 0, also $\displaystyle\lim_{h\to0} r_\alpha(h)=0$. Setzt man $$ \varphi(h) := \sum_{\left|\alpha\right|=k} r_\alpha(h){\mskip 3mu}h^\alpha, $$ so folgt $\displaystyle\lim_{h\to0} {\varphi(h) / \left|h\right|^k} = 0$, d.h. $\varphi(h)=o(\left|h\right|^k)$, denn $$ {\left|h^\alpha\right|\over\left|h\right|^k} = { \left|h_1^{\alpha_1}\ldots h_n^{\alpha_n}\right| \over \left|h\right|^{\alpha_1}\ldots\left|h\right|^{\alpha_n} } \le 1, \qquad\hbox{für}\quad \left|\alpha\right| = k. $$ ☐
Der Satz von Taylor im $\mathbb{R}^m$ entsteht durch komponentenweise Anwendung der vorherigen Resultate. Man benötigt allerdings $m$ möglicherweise verschiedene Zwischenstellen.
6. Beispiel: Es sei $f\colon\mathbb{R}\rightarrow\mathbb{R}^3$ mit $f(t):=(\sin t,{\mskip 3mu}\cos t,{\mskip 3mu}t)$. Dann ist $f'(t)=(\cos t,{\mskip 3mu}-\sin t,{\mskip 3mu}1)$ und wenn man nur eine einzige Zwischenstelle zulässt erhält man den Widerspruch $$ f(2\pi)-f(0) = f'(\xi)(2\pi-0) = 2\pi\pmatrix{\cos\xi\cr -\sin\xi\cr 1\cr} = \pmatrix{0\cr 0\cr 2\pi\cr}. $$ Aus $\cos\xi=0=\sin\xi$ folgt $\cos^2\xi+\sin^2\xi=0$.
Literatur: Otto Forster (*1937): Analysis 2.